Nachdem wir nun beide wieder zu Hause in Deutschland sind und mit ein wenig Abstand auf die Zeit in Ruanda zurück blicken, wird uns nur langsam bewusst, was wir dort wirklich erleben und erfahren durften.
2 Monate, 4.406,50 Euro gesammelte Spenden, ein Haufen Projekte, eine Menge neuer Eindrücke, unvergessliche Erinnerungen und viele neue Freunde!
Donnerstag, 07. November 2018. Ankunft in Rwanda – endlich da. Nach einer langen und teils spannenden Anreise sind wir tatsächlich angekommen. Wir mussten während unseres Zwischenaufenthaltes in Kenia über Nacht am Flughafen in Nairobi in der Abflughalle warten. Dort waren zu diesem Zeitpunkt allerdings nur noch das Reinigungspersonal und wir, untermalt mit Hintergrundmusik von Bob Marley.. `don´t worry about a thing`. Nachdem irgendwann jedoch alle Lichter im Flughafengebäude ausgingen und wir im Dunkeln auf unseren Gepäckstücken saßen, bekamen wir ein etwas mulmiges Gefühl. Es dauerte nicht lange bis das Gebäude wieder hell erleuchtet war. Ein paar Stunden später saßen wir wohl auf im Flieger nach Ruanda.
Nachdem wir bei Christine und Prosper angekommen und eingezogen sind, als auch eine Menge Schlaf nachgeholt haben, endete unsere erste Entdeckungstour in Eigenregie nur eine Stunde später in einem Café. Der Verkehr, die Fülle an Menschen, die erste Konfrontation damit andauernd beobachtet zu werden. Der erste Besuch des Marktes mit engen Gängen voller Waren und Menschen, Gerüchen und zum krönenden Abschluss den ‚Metzgereien‘ war doch noch etwas zu viel für uns. Im Verlaufe unseres Aufenthaltes gewöhnten wir uns aber schnell daran und mussten immer wieder über diese Situation schmunzeln.
Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit und dem ersten Besuch im Zentrum, bei dem wir mit Tanz- und Gesang begrüßt worden sind, begaben wir uns direkt in Zusammenarbeit mit Christine an die Ideensammlung für einzelne Projekte, die wir in den nächsten Wochen umsetzen wollten.
Ganz oben auf unserer Liste stand dabei der Bau einer neuen Kochecke. In Verbindung damit die Anschaffung von benötigten Küchenmaterialien wie Geschirr, Besteck, Töpfen und weiteren Utensilien zum Zubereiten der Speisen für oft mehr als dreißig Personen.
Mangelernährung ist in Ruanda leider keine Seltenheit, viele der Kinder sind unterernährt und erhalten zu wenige wichtige Nährstoffe. Durch den Bau der Kochecke kann nun an den Tagen, an denen das Zentrum geöffnet hat, ‚Porridge‘, eine Art Haferschleim, gekocht werden. Neben der Versorgung mit Nahrung ist so ebenfalls die verbesserte Integration der Mütter in die Arbeit des Zentrums geglückt, da diese ab diesem Zeitpunkt die Zubereitung der Speisen übernahmen. Während unseres Aufenthalts gab es zusätzlich jeden Freitag für alle Reis mit Gemüse – ein schöner Wochenabschluss. Dabei war es keine Seltenheit, dass selbst die Kleinsten einen Teller vollgepackt bis zum Rand mit Essen innerhalb kürzester Zeit ‚inhalierten‘. Ein Verhalten, welches wir beide bisher in dieser Form noch nie zuvor beobachtet haben. Dies ist jedoch leider nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sich die meisten Familien nur eine Mahlzeit pro Tag leisten können.
Durch das Anlegen von Beeten und Wegen im Garten hinter dem Haus, sowie die Reparatur des Hasenstalls inklusive Einzug zweier Hasenfamilien, kann nun der gesamte hintere Bereich des Zentrums zum Anbau von Gemüse genutzt werden. So trägt dieser in Zukunft zur Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln bei. Unterstützt wurden wir dabei von einer Hand voll Männern aus der Nachbarschaft, die uns tatkräftig zur Seite standen. Während den langen, anstrengenden aber auch sehr lustigen Bautagen außerhalb des normalen Zentrumbetriebes – begleitet von lauter Musik, anschließendem gemeinsamen Essen und der Versorgung mit Bananabeer – bekamen wir immer mehr Einblick in die ruandische Kultur.
Neben der Umgestaltung des Gartens war die Renovierung des Hauses von Vincent dem Houseguard ebenso eines unserer größeren Projekte. Dieser wohnte bis dato mit seiner Frau und seiner kleinen 1 ½ jährigen Tochter in einem der Räume des Zentrums. Da dieser aber als zweiter Klassenraum benötigt wurde, musste die Familie in die kleine Hütte am Ende des Gartens ziehen. Diese war jedoch in einem schrecklichen Zustand. Nicht nur das undichte Dach sondern auch das Fehlen von Elektrizität, einem ordentlichen Treppenaufgang und das nicht Vorhandensein von Möbeln machten diese ‚Hütte‘ unbewohnbar. Neben der Kernsanierung innen und außen, neuen Türen und Abdichtungen gegen Regen und Ungeziefer, sowie der Elektrizitätsversorgung, konnten wir ebenfalls für neue Möbel und eine neue Matratze sorgen. Durch den neuen Treppenaufgang an der äußeren Hausfassade können nun auch die Kinder des Zentrums die dort vorhandene zweite Toilette nutzen, da zuvor für viele der hohe Aufstieg, auf Grund ihrer körperlichen Einschränkungen, unmöglich war.
Abseits der Arbeiten in ‚unserem‘ Zentrum besuchten wir zwischenzeitlich auch ein Waisenheim für Jungs, in dem circa 120 Straßenkinder ein neues Zuhause gefunden haben. Auch dort konnten wir physiotherapeutisch eingreifen. Sowohl bei den Mitarbeitern, als auch bei den Bewohnern selbst. Im Gegenzug kam uns Ruth, eine Psychologin aus Großbritannien, die dort im Camp arbeitet, in Kabuga besuchen. Sie leitete den Müttern Techniken zur Traumaarbeit an, die durch den Genozid 1994 noch einige unverarbeitete Erlebnisse mit sich tragen. Ein Modell für die Zukunft, da Ruth das HDVC Zentrum weiterhin tatkräftig unterstützt. Trotz den über zwanzig Jahren, die seither vergangen sind, ist die schreckliche Vergangenheit teilweise noch präsent. Richtig bewusst wurde uns dies, als wir an einer Baustelle vorbei gingen und dort an den Bauzäunen viele mit Erde beschmierte Kleidungsstücke entdeckten. Christine berichtete uns auf Nachfage, dass durch die Baustelle ein Massengrab eröffnet und die Kleider geborgen wurden.
Neben der Elektrizitätsversorgung konnten wir zudem die Versorgung mit Trinkwasser im Zentrum sicher stellen. Die Installation eines Wasseranschlusses war möglich, sodass auch der Garten in Trockenzeiten ausreichend bewässert werden kann.
Die Reparatur einer der beiden Brückenseiten konnten wir ebenfalls erfolgreich durchführen: Ein tragender Baumstamm war im Verlauf des letzten Jahres morsch geworden, wodurch eine Seite der Brücke nicht mehr benutzt werden konnte.
Nicht nur im Außenbereich des Zentrums wurde viel voran getrieben. Neben dem Einbau eines Vorratsschrankes, dem Kauf von Tischen und Bänken für den neuen Klassenraum und zwei Spiegeln für die Therapie, wurden neue Schlösser in die Türen eingebaut, als auch kaputte Fensterscheiben ausgetauscht.
Zusätzlich zu all‘ diesen großen Bauprojekten war es uns möglich, sowohl Kosten für ärztliche Untersuchungen und der nötigen Herz-OP für die kleine Belise zu übernehmen sowie die medikamentöse Versorgung einzelner Kinder.
Eine Freude war es uns die Schulkosten für die kommenden zwei Jahre von Clarisse bezahlen zu können, die damit ihren Abschluss erreichen wird, der auf Grund ihrer Epilepsieerkrankung zuvor in weite Ferne gerückt war. Jeanvier, eines der ältesten Kinder im Zentrum als auch der Älteste seiner 10 Geschwister, wurde stolzer neuer Besitzer von zwei Schafen, die er von nun an züchtet. Eine sehr gute Möglichkeit für ihn Verantwortung zu übernehmen, selbstständig zu werden und etwas zur Familienkasse beizutragen, da sein Vater leider dabei ist zu erblinden.
Nicht bezahlte Mieten des Zentrums, Gehälter der Lehrer sowie des Houseguards der letzten 6 Monate konnten ebenfalls beglichen werden, welche Christine große Sorgen bereiteten.
Kurz vor Weihnachten, zugleich auch unser Abschied, gab es am letzten Tag eine große Feier, die wir ebenfalls mit den Spendengeldern auf die Beine stellen konnten. Neben einem leckeren Festmahl aus Reis, Gemüse, Fleisch und Pommes, gab es Limo für die Kinder und Bier für ihre Familienmitglieder als auch für die fleißigen Helfer der Baustelle. Jede Familie bekam ebenfalls ein Weihnachtsgeschenk, welches aus 10 Kilo Maismehl, 2 Kilo Reis, 1 Kilo Zucker und einer Stange Seife bestand. An die kleinsten der Kleinen wurden die Kleiderspenden verteilt, die wir aus Deutschland mitbringen konnten. Ein unvergesslicher Tag für insgesamt 68 Menschen, uns inklusive, die abends glücklich und zufrieden den Heimweg antraten.
Neben den Aktivitäten im Zentrum besuchten wir unter anderem ein Fußballspiel der nationalen Liga. Die Eintrittskarte kostete umgerechnet 2 Euro – unvergleichlich die Atmosphäre der lauthals singenden und tanzenden Fans. Andere sportliche Erfahrungen machten wir zusammen mit Prosper beim Yoga, als auch in der darauf folgenden `Walking meditation` mit einem tibetischen Mönch, der diese anleitete – ebenso ein unvergessliches Erlebnis.
Zwischen den Feiertagen machten wir uns mit dem Bus quer durchs Land auf zum Lake Kivu. Dabei wurde uns beiden nochmal bewusst, wie wunderschön dieses Land doch ist. Direkt an der Grenze zum Kongo gelegen, konnten wir dort aktive Vulkane beobachten und in den heißen Quellen baden.
Wir sind froh und dankbar diese Erfahrungen gemacht haben zu dürfen und hoffen in ein paar wenigen Jahren erneut das Zentrum besuchen zu können!
Ganz liebe Grüße,
Katja und Robin